Zwei Männer liegen, oder besser posieren, am Boden. Ihre Fahrräder sind ineinander verkeilt. Die beiden Radfahrer dahinter haben Glück gehabt und konnten noch rechtzeitig stoppen. Dramatisch sieht das Bild nicht aus, dazu blicken die Missionare zu theatralisch und ist die Komposition zu durchdacht. Doch wie kommt es, dass Missionare um 1900 in Ghana, der ehemaligen Goldküste, mit dem Fahrrad unterwegs sind?
Von Beginn weg, also schon in den 1830er-Jahren, stellten die Basler Missionare fest, dass ihre Konstitution es nicht zuliess, schwere körperliche Arbeiten im ungewohnten Klima auszuführen und dabei gesund und leistungsfähig zu bleiben. Mehrfach ist in Berichten von frühen Goldküste-Missionaren überliefert, dass ihre verstorbenen Kollegen sich körperlich nicht geschont hätten und folglich vor Erschöpfung krank geworden und gestorben waren. Der Transport durch einheimische Träger etablierte sich deshalb schon früh, und über Jahrzehnte liessen sich Missionare und ihre Angehörigen für längere Strecken in Hängematten von A nach B transportieren.
Rudolf Fisch, der 1885 als erster Missionsarzt an die Goldküste kam, konnte sich mit diesem System nicht abfinden. War auf einer Missionsstation jemand schwer erkrankt und brauchte dringend seine Hilfe, musste er zuerst Träger suchen und über die Bezahlung verhandeln. An einen sofortigen Hängematten-Transport zu den Schwerkranken war daher oft nicht zu denken. Er beschloss deshalb sich ein Fahrrad anzuschaffen. Seine Umgebung hielt ihn zuerst für verrückt und er musste viel Spott einstecken. Doch das Fahrrad bewährte sich. Dr. Fisch schreibt: „Nun … kann ich die frühen Morgenstunden oder die späten Abend- oder Nachtstunden benutzen und bin am Ort ohne von der Sonne belästigt zu werden.“ Er war nun zeitlich unabhängig und flexibel.
Bald war er nicht mehr der einzige, der mit dem Fahrrad unterwegs war. Auf unserer Website finden Sie wunderbare Bilder mit Gruppen von radfahrenden Missionaren! Übrigens: 1905 erschien im evangelischen Heidenboten ein Bericht von Dr. Fisch: „Meine erste Motorradfahrt“. Allerdings verlief diese mit einigen Hindernissen und das Fahrrad blieb noch lange Zeit ein beliebtes Verkehrsmittel der Missionare.
Text: Andrea Rhyn, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Archiv von Mission 21.