Muss Theologie dekolonisiert werden – und wenn ja, wie? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Webinar der Reihe «Mission-Colonialism Revisited» Anfang September 2025. Ja, sie muss dringend dekolonisiert werden, erklärten die beiden Fachpersonen, Thandi Gamedze aus Südafrika, und Scotty J. Williams, aus den Niederlanden. Die Aufzeichnung des Webinars steht auf unserer Website zur Verfügung.
In einer Zeit, in der selbst die Regierungspolitik vieler Länder unverhohlen Spaltung und Entmenschlichung vorantreibe, brauche es Umkehr und prophetische Theologie. Denn die «Scheidungsurkunde ist noch nicht unterzeichnet» – so formuliert es Thandi Gamedze bildlich – um sich von kolonialer Theologie zu trennen, die seit Jahrhunderten den Profit der einen auf Kosten der anderen rechtfertige.
Thandi Gamedze ist Senior Researcher am Desmond Tutu Centre for Religion and Social Justice in Südafrika. In ihrer Doktorarbeit hat sie untersucht, welche Rolle die Kirchen bei der Aufrechterhaltung und Infragestellung dominanter Machtverhältnisse in Bezug auf Ethnie, Geschlecht und Klasse spielen. Auch Scotty J. Williams, leitender Pfarrer an der American Protestant Church of Den Haag in den Niederlanden, hat sich mit der Frage der Machtverhältnisse beschäftigt und sagt, es gehe darum, den «frommen Paternalismus» zu verlernen, mit dem «westlich» geprägte Kirchen und Theologien andere behandeln.
Demokratisierte Pädagogik und verändertes Gottesbild
Thandi Gamedze und Scotty Williams berichten in ihren Referaten einerseits von wissenschaftlichen Forschungen als auch von persönlichen Erfahrungen. Zur Überwindung des Paternalismus sei hilfreich, aktiv von Machtlosen und Minderheiten zu lernen. Gerade die gegenwärtige tiefe Krise eröffne womöglich theologische Möglichkeiten. Dazu gehören eine demokratisierte Pädagogik (wie die von Paulo Freire), die alle Menschen als kompetente Lehrende ernst nimmt; und es gehört dazu eine kontextuelle Bibellektüre.
Wichtig seien aber auch politische Parteinahme (wie die des südafrikanischen Kairos-Dokuments von 1985) und nicht zuletzt ein anderes Gottesbild: nämlich eines Gottes, der oder die unter den Unterdrückten ist. Im Gedicht «God is getting tired» (Gott wird müde), das Thandi Gamedze am Ende ihres Beitrags vortrug, wurde dieses Gottesbild sichtbar. Es brachte zum Ausdruck, was dekoloniale Theologie bedeuten kann.
Die Aufzeichnung des Webinars mit den Referaten von Thandi Gamedze und Scotty Williams sowie Gesprächen ist auf unserer Website hier zu finden, in englischer Originalversion sowie mit deutscher Übersetzung. Auch die beiden Referate sind zum Nachlesen verfügbar.