«Mädchenschulen: Das war damals radikal»

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Das Foto aus einer „Brahminenmädchenschule“ (so der Originaltitel) entstand zwischen Januar 1884 und März 1886 in Mangalore. In der Mitte: Missionarstochter Elisabeth Diez. Aus den Beständen der Basler Mission im Forschungsarchiv von Mission 21: BMA C-30.54.011

Die indische Forscherin Parinitha Shetty hat sich mit der Geschichte der Basler Mission in Südindien auseinandergesetzt – und sagt, dass die Präsenz der Mission die indische Gesellschaft bis heute geprägt hat.

Parinitha Shetty, ich habe Ihnen diese Fotografie aus dem Forschungsarchiv von Mission 21 mitgebracht. Kennen Sie die Aufnahme?

Ja, sie zeigt eine Brahmaninnen-Schule. Es war die erste Schule, die die Basler Mission für Mädchen anbot – nur für Schülerinnen aus der obersten Kaste. Das war ungewöhnlich.

Warum?

Die Basler Mission umging bereits im 19. Jahrhundert die Kastenregeln und liess vor allem Jungen verschiedener Kasten die gleiche Klasse besuchen. Das gefiel den Familien aus der obersten Kaste nicht. Sie wollten nicht, dass die Kinder im gleichen Raum sitzen. Dem kamen die Missionare nicht nach, worauf die Eltern ihre Kinder aus der Schule nahmen.
Die Missionare blieben hartnäckig – und nach ein paar Tagen kamen die Kinder wieder zurück. Das Englisch, das sie in der Schule lernten, brauchten sie, um einen Kolonialberuf erlernen zu können.

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«Viele Reformen und Bildungsmassnahmen des Kolonialismus und der Missionare haben die Situation in Indien insbesondere für Frauen und für Menschen aus unteren Kasten verbessert. Als Frau bin ich froh, dass es zu diesen Veränderungen gekommen ist», sagt Parinitha Shetty. Foto: Emilie Buri

Die Schule nur für die Brahman*innen-Kaste war also eine Ausnahme.

Die Missionare hatten Interesse daran, dass Mitglieder der obersten Kasten konvertieren. Aber sie hatten den Eindruck, dass es viele Jungen nicht taten, weil sie die Frauen in ihrem Zuhause davon zurückhielten. Indem man Mädchen aus der obersten Kaste ans Christentum heranführte, erhoffte man sich, dass ihre zukünftigen Ehemänner und Söhne leichter konvertieren würden.

Trotzdem sagen Sie, dass die Missionsschulen zur Auflösung des Kastensystems in Indien beigetragen haben. Welche Auswirkungen hat das auf die Gegenwart?

Für uns ist es heute selbstverständlich, ein Klassenzimmer zu betreten, in dem verschiedene Kasten zusammensitzen.
Ich denke, dass die Schulen der Basler Mission eine wichtige Rolle in diesem Wandel hatten. Die Vorstellung, dass Kinder aus verschiedenen Kasten sich in einem Raum aufhalten und auf die gleiche Weise erzogen wurden, war für die Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts radikal.

War es auch radikal, dass Mädchen in die Schule gehen konnten?

Ja.

Welchen Einfluss hat das auf die heutige Situation in Indien?

Dass Frauen zur Schule gehen und eine Ausbildung erhalten können, wurde durch das Bildungssystem der Missionare ermöglicht. Missionare gründeten in Indien die ersten Mädchenschulen – die Kolonialregierung begann damit erst viel später.

Welche Probleme gibt es für Mädchen und Frauen heute in Indien?

Bildung ist akzeptabler geworden. Das Problem besteht eher darin, dass Frauen keinen höheren Abschluss machen, weil die Ehe für Frauen als wichtiger angesehen wird und immer noch viele Frauen sehr früh verheiratet werden.

Sie berichten in Ihrer Forschung auffallend positiv über die Basler Mission.

Ja, ich bin da etwas polemisch. Natürlich gibt es auch die Kehrseite der Medaille – die bringe ich in meinen Studien auch ein. Aber viele Reformen und Bildungsmassnahmen des Kolonialismus und der Missionare haben die Situation in Indien insbesondere für Frauen und für Menschen aus unteren Kasten verbessert. Als Frau bin ich froh, dass es zu diesen Veränderungen gekommen ist.

Interview: Emilie Buri

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